BFH v. 8.9.2020 - X R 36/18

Einkommen des nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag verstorbenen Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft

Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 angeordnete Rückwirkung betrifft nur die Ermittlung des Einkommens der übertragenden Körperschaft und der Übernehmerin. Diese Norm führt daher nicht zum Entstehen eines Übernahmegewinns bei einem bereits verstorbenen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, wenn diese Gesellschaft nach dem Todestag rückwirkend auf ihren neuen Alleingesellschafter verschmolzen wird. Die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG 2002 ist auch dann anzuwenden, wenn Anteile an der übertragenden Körperschaft, die unter § 17 EStG fallen, zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und dem zivilrechtlichen Wirksamwerden der Verschmelzung unentgeltlich übertragen werden.

Der Sachverhalt:
Die klagenden Eheleute wurden im Streitjahr 2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war zunächst mit 48 % an einer GmbH beteiligt; die weiteren 52 % der Anteile hielt sein Vater (V). Am 15.9.2005 (Streitjahr) verstarb V. Der Kläger erhielt vermächtnisweise auch dessen GmbH-Anteile und ist seitdem Alleingesellschafter der GmbH. Anfang 2006 schlossen der Kläger und sein Bruder (B) einen Erbteilskaufvertrag. Danach erwarb der Kläger mit Rückwirkung auf den Todestag des V die jeweils hälftigen Erbteile des B als Nacherbe der Mutter (M) und als Erbe des V für insgesamt 50.000 €. Die bereits abgeschlossene Erfüllung der Vermächtnisse sollte unberührt bleiben. Der Kläger verpflichtete sich, B von sämtlichen Nachlassverbindlichkeiten einschließlich etwaiger Steuernachforderungen freizustellen.

Anschließend wurde die GmbH mit dem Vermögen des Klägers als ihres nunmehrigen Alleingesellschafters verschmolzen. Als steuerlicher Übertragungsstichtag wurde der 1.9.2005 - also ein Zeitpunkt, der vor dem Tod des V lag - bestimmt. Auf diesen Tag stellte die GmbH eine Schlussbilanz auf. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2005 ermittelten die Kläger einen Übernahmegewinn gem. § 4 Abs. 4 UmwStG 2002. Diesen rechneten sie zu lediglich 48 % dem Kläger zu. Demgegenüber setzte das Finanzamt in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2005 den gesamten steuerpflichtigen Übernahmegewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers an. Es sei nicht möglich, durch Wahl eines Übertragungsstichtags, der vor dem Tod eines früheren Gesellschafters der übertragenden GmbH liege, rückwirkend die Besteuerung des Verstorbenen bzw. von dessen Erben zu beeinflussen. In einem solchen Fall sei der Übernahmegewinn in voller Höhe beim Übernehmer anzusetzen.

Das FG wies die Klage ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zutreffend dahingehend ausgelegt hat, dass diese Norm nicht rückwirkend zum Entstehen eines Übernahmegewinns bei einem bereits verstorbenen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft führt, wenn diese Gesellschaft nach dem Todestag auf ihren neuen Alleingesellschafter verschmolzen wird.

Zivilrechtlich ist der Kläger erst in dem Zeitpunkt Alleingesellschafter der GmbH geworden, zu dem die Erbengemeinschaft ihm den in die Erbmasse fallenden GmbH-Anteil aufgrund der Vermächtnisanordnung übertragen hatte. Dies erfolgte kurz nach dem Erbfall. Daher kann der vermächtnisweise übergegangene GmbH-Anteil dem Kläger ertragsteuerrechtlich bereits vom Erbfall an zugerechnet werden.

Das Vermögen der GmbH ist zivilrechtlich erst mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister auf den Kläger übergegangen. Ertragsteuerrechtlich eröffnet § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 (i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG) aber die Möglichkeit einer begrenzten Rückwirkung. Nach dieser Regelung sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Dieser Bilanzstichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers liegen (§ 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG).

Das FG hat dem Kläger auch zu Recht den gesamten Übernahmegewinn zugerechnet. Gem. § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 ergibt sich infolge des Vermögensübergangs ein Übernahmegewinn oder Übernahmeverlust in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft. Der Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter bleibt jedoch außer Ansatz, soweit er auf Anteile an der übertragenden Körperschaft entfällt, die am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht zum Betriebsvermögen der übernehmenden natürlichen Person gehören (§ 4 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 UmwStG 2002).

Die 48-%-Beteiligung an der GmbH, die dem Kläger schon vor dem Erbfall zuzurechnen war, gehörte am steuerlichen Übertragungsstichtag zwar ursprünglich nicht zu dessen Betriebsvermögen. Gem. § 5 Abs. 2 (i.V.m. § 9 Abs. 1) UmwStG 2002 gelten diese Anteile aber als am steuerlichen Übertragungsstichtag in das Betriebsvermögen des übernehmenden Steuerpflichtigen mit den Anschaffungskosten eingelegt. Sie sind daher nach § 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG 2002 in die Ermittlung des Übernahmeergebnisses einzubeziehen. 

Darüber hinaus folgt aus § 5 Abs. 2 UmwStG 2002, dass auch der weitere Anteil im Umfang von 52 % des Stammkapitals, der bis zum Erbfall dem V zuzurechnen war, in die Ermittlung des Übernahmeergebnisses des Klägers einzubeziehen ist. Denn der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2002 "zwanglos" erfasst auch solche Anteile, die der übernehmenden natürlichen Person am steuerlichen Übertragungsstichtag noch gar nicht gehörten. Offenbleiben konnte vorliegend, ob § 5 Abs. 1 UmwStG 2002 in der Weise ausgelegt werden kann, dass der dort verwendete Begriff "angeschafft" auch unentgeltliche Erwerbe umfasst.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.02.2021 14:05
Quelle: BFH online

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