BGH v. 16.12.2021 - IX ZR 81/21

Anspruch auf Rückzahlung eines nicht verbrauchten Vorschusses für die Gebühren eines Rechtsanwalts

Der Anspruch auf Rückzahlung eines nicht verbrauchten Vorschusses für die Gebühren eines Rechtsanwalts entsteht aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung des Vorschusses (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 7.3.2019 - IX ZR 143/18). Die Haftungsverbindlichkeit des Gesellschafters einer aufgelösten Gesellschaft verjährt auch dann in fünf Jahren, wenn die Gesellschaftsschuld einer kürzeren Verjährung unterliegt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin, ein Rechtsschutzversicherer, verlangt aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Rückzahlung eines nicht verbrauchten Gebührenvorschusses für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins in einem finanzgerichtlichen Verfahren (1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG nach einem Wert von rd. 167.835,72 € = 1.994,40 €). Der Beklagte zu 1) (der Beklagte) war neben dem Beklagten zu 2) Gesellschafter der Rechtsanwalts-GbR, die von der Versicherungsnehmerin mandatiert worden war.

Mit Schreiben vom 10.6.2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass über das Vermögen der Versicherungsnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und es zu der bevorschussten Wahrnehmung des Gerichtstermins deshalb (absehbar) nicht mehr kommen werde. Ferner wies er darauf hin, dass die mandatierte Rechtsanwalts-GbR aufgelöst worden sei und zwischenzeitlich nicht mehr existiere. Daraufhin nahm die Klägerin die Beklagten als Gesellschafter erfolglos außergerichtlich auf Rückzahlung des Vorschusses für die Wahrnehmung des Gerichtstermins in Anspruch. Am 12.2.2019 erwirkte die Klägerin den Erlass von Mahnbescheiden gegen die Beklagten. Am 20.2.2019 erhob der Beklagte Widerspruch. Das Verfahren geriet in Stillstand und wurde von der Klägerin durch Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses für die Durchführung des streitigen Verfahrens am 25.6.2020 weiter betrieben. Im streitigen Verfahren haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.

Das AG gab der Klage statt und verurteilte beide Beklagte antragsgemäß. Die (nur) vom Beklagten eingelegte Berufung hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie seine Revision vor dem BGH.

Die Gründe:
Mit Recht hat das LG einen Anspruch auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Gebührenvorschusses für die Wahrnehmung des Gerichtstermins angenommen.

Aus dem Anwaltsvertrag folgt ein Anspruch auf Rückgewähr desjenigen Teils des geleisteten Vorschusses, der die tatsächlich geschuldete Vergütung übersteigt. Die Rückzahlung derartiger Vorschüsse richtet sich nicht nach § 812 BGB. Für sie sind vielmehr die §§ 675, 667 BGB mindestens entsprechend anzuwenden. Der Rechtsanwalt hat über erhaltene Vorschüsse abzurechnen. Eine entsprechende vertragliche Pflicht folgt aus §§ 675, 666 BGB. Unabhängig von der Abrechnung braucht der Rechtsanwalt erhaltene Vorschüsse nicht zurückzugewähren, soweit sein Vergütungsanspruch entstanden und fällig geworden ist.

Der Anspruch auf Rückzahlung nicht verbrauchter Gebührenvorschüsse entsteht aufschiebend bedingt schon mit der Leistung des Vorschusses. Es steht von Anfang an fest, dass der Mandant die Rückzahlung des Vorschusses verlangen kann, soweit dieser für die Deckung des später fällig werdenden Vergütungsanspruchs nicht benötigt wird. Der Rückzahlungsanspruch hängt damit von einem zukünftigen ungewissen Ereignis ab, nämlich von dem Umstand, dass der Vergütungsanspruch entgegen den Erwartungen (§ 9 RVG: "voraussichtlich entstehenden Gebühren") hinter dem geleisteten Vorschuss zurückbleibt. Die aufschiebende Bedingung für den Rückzahlungsanspruch ist vorliegend eingetreten. Der Gebührenvorschuss für die Wahrnehmung des Gerichtstermins ist entgegen den Erwartungen nicht verbraucht worden.

Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch. Der Rückzahlungsanspruch richtete sich gegen die Rechtsanwalts-GbR als Vertragspartnerin der Versicherungsnehmerin. Der Beklagte haftet als Gesellschafter der GbR akzessorisch für deren Verbindlichkeiten. In Rede steht hier die akzessorische Haftung des Beklagten und damit die Gesellschafterschuld. Die Gesellschafterschuld ist nicht verjährt. Auf eine Verjährung des Anspruchs gegen die Anwalts-GbR könnte sich der Beklagte nicht berufen. Die Gesellschafterschuld ist nicht verjährt. Die Gesellschafterhaftung stimmt grundsätzlich und gerade auch hinsichtlich aller Einwendungen oder Einreden zu Gunsten und zu Ungunsten des Gesellschafters mit der jeweiligen Gesellschaftsverbindlichkeit überein. Dies entspricht dem Wortlaut der §§ 128 ff HGB und dem Sinn der akzessorischen Gesellschafterhaftung. Das Sicherungsinteresse des Gläubigers erfordert es, dass ein Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden, die während oder vor seiner Mitgliedschaft begründet worden sind, auch zeitlich wie die Gesellschaft selbst haftet.

Eine Sonderverjährung sieht allerdings § 159 HGB für den Gesellschafter einer aufgelösten Gesellschaft vor. Nach dem Wortlaut des § 159 Abs. 1 HGB verjähren die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Gem. § 159 Abs. 2 HGB beginnt die Verjährung mit dem Ende des Tages, an welchem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts eingetragen wird. Die Sonderverjährung gilt auch für den Gesellschafter einer (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Maßgabe, dass die Verjährung mit der Kenntnis des Gläubigers von der Auflösung der Gesellschaft beginnt. Die Verjährungsfrist nach § 159 HGB beträgt fünf Jahre. Dies gilt auch dann, wenn die Frist für die Verjährung der Gesellschaftsschuld kürzer ist. § 159 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB betrifft nicht die dem Gesellschafter der aufgelösten Gesellschaft zustehende Verjährungseinrede. Die insoweit missverständlich formulierte Vorschrift stellt lediglich klar, dass dem Gesellschafter die gem. § 129 Abs. 1 HGB abgeleitete Einrede der Verjährung der Gesellschaftsschuld verbleibt.

Danach kann sich der Beklagte nicht auf eine (Sonder-)Verjährung seiner Haftungsverbindlichkeit binnen der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB berufen, die entsprechend § 159 Abs. 2 HGB bereits mit dem Ende des Tages in Lauf gesetzt worden wäre, an dem die Klägerin von der Auflösung der Anwalts-GbR Kenntnis erlangt hatte. In Lauf gesetzt wurde nur die fünfjährige Frist des § 159 Abs. 1 HGB. Diese Frist wurde durch den von der Klägerin gestellten Mahnbescheidsantrag und erneut durch die später erfolgte Überleitung in das streitige Verfahren rechtzeitig gehemmt.

Mehr zum Thema:

  • Rechtsprechung: BGH vom 10.6.2021, IX ZR 76/20 - Rechtsschutzversicherung: Auskehr unverbrauchter Gerichtskosten an Prozessbevollmächtigten (MDR 2021, 1067)
  • Rechtsprechung: BGH vom 07.3.2019, IX ZR 143/18 - Anwaltsvergütung: Rückzahlung erhaltener und nicht verbrauchter Vorschüsse nach Mandatskündigung mit Anmerkung Fölsch (MDR 2019, 1237)
  • Praxisrelevante Lösungen für alle Fragestellungen zum Zivilrecht bietet Ihnen unser umfassendes Aktionsmodul Zivilrecht (6 Module zum Arbeitsrecht, Erbrecht, Familienrecht, Miet- und WEG-Recht, Zivil- und Zivilverfahrensrecht) - jetzt 4 Wochen lang kostenlos testen.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.01.2022 11:35
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite