BGH v. 16.12.2021 - IX ZB 24/21

Insolvenzverwalter: Prozessführung mit Hilfe eines Prozessfinanzierers

Hat der Insolvenzverwalter einem Prozessfinanzierer einen Teil der streitigen Forderung abgetreten oder sich verpflichtet, einen bestimmten Teil des Erlöses an den Prozessfinanzierer auszuzahlen, erhöht nur der Teil des Erlöses die Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse nach Abzug der dem Prozessfinanzierer zustehenden Beträge zufließt.

Der Sachverhalt:
Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH i.L. (Schuldnerin). Er beabsichtigte, einen Haftungsprozess gegen den Liquidator und den Steuerberater der Schuldnerin zu führen und hierzu einen Prozessfinanzierungsvertrag mit einem Prozessfinanzierer zu schließen. Auf Antrag des Beteiligten berief das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung zur Zustimmung zur Prozessfinanzierung durch den Prozessfinanzierer sowie zur Klageerhebung ein. Die Gläubigerversammlung vom 12.7.2016 stimmte dem gem. § 160 Abs. 1 Satz 3 InsO zu.

Der Vertrag mit dem Prozessfinanzierer sah vor, dass dieser die für die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche entstehenden notwendigen Kosten zu tragen hatte. Dafür waren von dem Erlös des Rechtsstreits zunächst die dem Prozessfinanzierer entstandenen verauslagten Kosten zu erstatten. An dem nach der Kostenerstattung verbleibenden Erlös stand dem Prozessfinanzierer ein prozentualer Anteil zu. Zur Sicherung dieser Ansprüche trat der Beteiligte die streitigen Forderungen an den Prozessfinanzierer ab. Der Prozess endete in zweiter Instanz mit einem Urteil, das den Liquidator zur Zahlung von 23.171,78 € nebst Zinsen verurteilte, die Klage im Übringen abwies und die Kosten des Rechtsstreits dem Beteiligten auferlegte. Der Beteiligte erhielt auf dieser Grundlage insgesamt 26.686 €. Er führte hiervon entsprechend dem Prozessfinanzierungsvertrag 26.111,90 € an den Prozessfinanzierer ab. Der Beteiligte zeigte Masseunzulänglichkeit an; ausweislich seines Schlussberichts können Massegläubiger mit einer Quote von 11,47 % rechnen.

Der Beteiligte beantragte, seine Vergütung auf rd. 36.969,33 € brutto festzusetzen. Er legte eine Berechnungsgrundlage von 69.283,40 € zugrunde. Die an den Prozessfinanzierer abgeführten 26.111,90 € setzte er nicht ab.

Das AG - Insolvenzgericht - setzte die Vergütung des Beteiligten bei einer Berechnungsgrundlage von 43.171,57 € auf insgesamt 31.377,44 € einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer fest. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten hatte vor dem LG eben so wenig Erfolg wie seine vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Die Gründe:
Das LG hat rechtsfehlerfrei den Wert der Forderung gegen den Liquidator nur i.H.v. 574,10 € in die Berechnungsgrundlage einbezogen. Der an den Prozessfinanzierer abgeführte Teil des Erlöses erhöht die Berechnungsgrundlage nicht.

Der Wert einer zur Insolvenzmasse gehörenden Forderung ergibt sich regelmäßig aus dem bei der Verwertung erzielten Erlös. Bei einer streitigen Forderung gehört nur der Betrag zur Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse tatsächlich zufließt. Können Forderungen nicht durchgesetzt und so verwertet werden, kommt ihnen grundsätzlich kein Wert zu, der bei der Berechnungsgrundlage zu berück-sichtigen ist. Es handelt sich vielmehr um einen für die Insolvenzgläubiger wirtschaftlich wertlosen Bestandteil des schuldnerischen Vermögens. Welchen Wert eine Forderung tatsächlich hat, zeigt sich, nachdem sie verwertet worden ist.

Dies gilt auch, wenn sich der Insolvenzverwalter zur Durchsetzung einer streitigen Forderung der Leistungen eines Prozessfinanzierers bedient. Hat der Insolvenzverwalter im Gegenzug dem Prozessfinanzierer einen Teil der streitigen Forderung abgetreten oder sich verpflichtet, einen bestimmten Teil des Erlöses an den Prozessfinanzierer auszuzahlen, erhöht nur der Teil des Erlöses die Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse nach Abzug der dem Prozessfinanzierer zustehenden Beträge zufließt.

Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV. Die Bestimmung beruht auf der Überlegung, dass der Wert der Insolvenzmasse i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO das insolvenzbefangene Vermögen des Schuldners meint. Daraus ergibt sich, dass ein Vorschuss zur Durchführung des Verfahrens, der von einem Dritten oder aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners geleistet wird, nicht zur Berechnungsgrundlage zählt. Ebenso ist der gem. § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV nicht zu berücksichtigende Zuschuss, den ein Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans oder zum Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung vor Ablauf der Abtretungsfrist geleistet hat, nicht Teil des insolvenzbefangenen Vermögens des Schuldners. Das gilt erst recht für Darlehen, die zur Erfüllung des Insolvenzplans zur Verfügung gestellt werden.

Es kann dahinstehen, ob das Leistungsversprechen des Prozessfinanzierers wirtschaftlich als Vorschuss anzusehen ist. Jedenfalls ist der Fall, in dem der Prozessfinanzierer einen Erlösanteil als Gegenleistung für die Übernahme der der Masse entstehenden Kosten erhält, nicht mit der von § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV geregelten Interessenlage vergleichbar. Denn bei der Forderung handelt es sich um insolvenzbefangenes Vermögen des Schuldners. Es fehlt vielmehr bereits an einem Zufluss aus der Verwertung der Forderung, der den Wert der Insolvenzmasse i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV erhöhen könnte, soweit der Erlös dem Prozessfinanzierer zusteht.

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  • Kurzbeitrag: BGH zur Gesellschafteranfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO (ZIP 2022, R4)
  • Aufsatz: Neue Technologien im Insolvenzrecht (Linardatos, ZIP 2022, 153)
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.01.2022 19:02
Quelle: BGH online

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