BGH v. 18.3.2025 - II ZR 77/24
Geschäftsführer-Erklärung auf Geschäftspapier mit Wirkung auf Vertragsbeziehungen der GmbH erfolgt im Namen der Gesellschaft
Gibt ein Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf deren Geschäftspapier eine Erklärung ab, die Wirkung auf die Vertragsbeziehungen der Gesellschaft entfalten soll, geht der objektive Erklärungswert einer solchen Erklärung grundsätzlich dahin, dass diese im Namen der Gesellschaft abgegeben werden soll. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Geschäftsführer ausdrücklich "in Vertretung" oder als "Geschäftsführer" zeichnet, wenn sich seine Stellung für den Erklärungsempfänger erkennbar, durch seine vorgeschriebene Namhaftmachung auf dem Geschäftsbrief ergibt.
Der Sachverhalt:
Der Kläger und seine Brüder T. und J. F. waren zu gleichen Anteilen Gesellschafter der Gebrüder F. GmbH (Schuldnerin), über deren Vermögen im laufenden Rechtsstreit das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Der Kläger war neben T. F. zur Einzelvertretung berechtigter Geschäftsführer der Schuldnerin mit einem Geschäftsführergehalt von mtl. 6.525 €. Laut Satzung der Schuldnerin wird die Gesellschaft bei Abschluss, Änderung oder Beendigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags "durch die Gesellschafter und die Geschäftsführung gemeinsam vertreten".
Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin vom 24.6.2019 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen. In der Gesellschafterversammlung vom 31.7.2019 wurde beschlossen, den Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dem Kläger außerordentlich fristlos zu kündigen. An beiden Gesellschafterversammlungen nahm der Kläger nicht teil. Mit Schreiben vom 13.8.2019 sprach T. F. die fristlose Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags gegenüber dem Kläger aus. In der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin vom 23.12.2019 wurde erneut beschlossen, den Kläger als Geschäftsführer der Schuldnerin abzuberufen und den Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers zu kündigen. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte T. F., der von der Gesellschafterversammlung mit dem Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger beauftragt worden war, die fristlose Kündigung des mit dem Kläger geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrags gegenüber dem Kläger.
Mit Schlussurteil vom 20.1.2022 verurteilte das LG unter Bestätigung zweier Vorbehaltsurteile die Schuldnerin zur Zahlung eines Geschäftsführergehalts für den Zeitraum Dezember 2019 bis Dezember 2020 i.H.v. insgesamt rd. 85.000 €. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlte die Schuldnerin im Anschluss unter Vorbehalt die zugesprochene Geschäftsführervergütung. Die Schuldnerin akzeptierte das landgerichtliche Urteil, soweit es von der Unwirksamkeit der ersten Kündigung ausging, und verlangte gestützt auf die Kündigung vom 23.12.2019 mit der Berufung die Abweisung der Klage für den Zahlungszeitraum vom 24.12.2019 bis einschließlich Dezember 2020. Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Beklagte beantragte nach Wiederaufnahme des Verfahrens hilfsweise, den Kläger zu verurteilen, an ihn rd. 27.000 € und 59.000 € zu zahlen. Das OLG wies die Berufung zurück. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Die Annahme des OLG, dem Kläger stehe Geschäftsführergehalt zu, weil die außerordentliche Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrags unwirksam sei, beruht auf einem Rechtsfehler. Die Auslegung des OLG, bei der mit Schreiben vom 23.12.2019 erklärten außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags des Klägers sei die Schuldnerin nicht, wie § 9 Nr. 3 ihrer Satzung es verlange, durch die Gesellschafter und die Geschäftsführung gemeinsam vertreten worden, verstößt gegen anerkannte Auslegungsregeln.
Die Kündigungserklärung in diesem Schreiben wurde nicht nur für die Schuldnerin vertreten durch die Gesellschafter abgegeben, sondern zugleich durch T. F. als Geschäftsführer der Schuldnerin. Das Revisionsgericht kann die Auslegung selbst vornehmen, wenn der Tatrichter eine Erklärung nicht oder unter Verletzung anerkannter Auslegungsgrundsätze ausgelegt hat und weitere, für die Auslegung maßgebliche tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, und zwar auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen. Die Annahme des OLG, das von T. F. verfasste Kündigungsschreiben vom 23.12.2019 enthalte keine individuellen Anhaltspunkte dafür, dass die Kündigungserklärung auch durch die Geschäftsführung in Vertretung der Schuldnerin erklärt worden sei, ist nicht haltbar.
Gibt ein Geschäftsführer einer GmbH auf deren Geschäftspapier eine Erklärung ab, die Wirkung auf die Vertragsbeziehungen der Gesellschaft entfalten soll, geht der objektive Erklärungswert einer solchen Erklärung grundsätzlich dahin, dass diese im Namen der Gesellschaft abgegeben werden soll. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Geschäftsführer ausdrücklich "in Vertretung" oder als "Geschäftsführer" zeichnet, wenn sich seine Stellung, wie hier, für den Erklärungsempfänger erkennbar, durch seine gem. § 35a Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorgeschriebene Namhaftmachung auf dem Geschäftsbrief ergibt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dass hier ausnahmsweise etwas Anderes erklärt werden sollte, lässt sich dem Schreiben vom 23.12.2019 nicht entnehmen und wurde vom OLG auch nicht festgestellt, da es den vorstehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt hat.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung der Erklärung der weitere Inhalt des Schreibens nicht unberücksichtigt bleiben darf. In diesem wird dem Kläger ein Hausverbot erteilt, wobei der Ausspruch des Hausverbots grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung fällt und im vorliegenden Fall auch nicht vom Auftrag der Gesellschafterversammlung umfasst war. Der Ausspruch des Hausverbots und der Kündigungserklärung in einem Schreiben sprechen ebenfalls dafür, dass die Kündigung auch durch die Geschäftsführung im Namen der Schuldnerin erklärt werden sollte.
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