OLG Schleswig-Holstein v. 28.11.2025 - 2x W 74/25

Zur inhaltlichen Prüfungskompetenz des Registergerichts bei Einreichung der Gesellschafterliste gem. § 40 GmbHG

Bei Einreichung der Gesellschafterliste gem. § 40 Abs. 1 GmbHG fungiert das Registergericht im Ausgangspunkt nicht als prüfende Stelle, sondern als "Verwahrstelle", welche die Gesellschafterliste in den Registerordner aufnimmt und verwahrt. Dabei unterliegt die Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit der Gesellschafterliste in erster Linie der haftungsbewehrten Verantwortung des Einreichenden. Dem Registergericht steht grundsätzlich lediglich ein formelles Prüfungsrecht zu; nur in Ausnahmefällen, wenn die Unrichtigkeit für das Registergericht (ohne weitere Ermittlungen) offensichtlich ist (Evidenzfälle), darf es die Aufnahme einer formell ordnungsgemäß eingereichten Liste ablehnen.

Der Sachverhalt:
Mit Schriftsatz vom 23.9.2025 reichte der Notar die von dem Geschäftsführer unterzeichnete Gesellschafterliste beim Handelsregister des AG ein. Das AG - Registergericht - forderte daraufhin den Notar unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des KG Berlin v. 20.2.2025 - 22 W 4/25) auf, nachzuweisen, dass die Gesellschafterin, deren Anteile eingezogen wurden, zu der Gesellschafterversammlung eingeladen wurde. Am 7.10.2025 reichte der Notar Schreiben an die Gesellschafterin mit dem Betreff "Gesellschafterversammlung" in Ablichtung ein. Auf der Ablichtung ist jedoch nicht der vollständige Inhalt der Schreiben, sondern lediglich der Beginn der Schreiben und - darüber kopiert - der Briefumschlag zu erkennen, wobei der erste als Einschreiben gekennzeichnete Umschlag einen Retourenvermerk und der zweite als Einschreiben gekennzeichnete Umschlag den Vermerk enthält, dass Empfänger an der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war.

Nach weiterem Schriftwechsel, in dessen Verlauf das AG zur Einsendung der vollständig lesbaren Einladungen aufforderte, forderte das AG mit der angegriffenen Zwischenverfügung vom 22.10.2025 zur Einreichung der vollständig lesbaren Einladungsschreiben auf. Hiergegen wendet sich die betroffene Gesellschaft mit der Beschwerde. Dem Registergericht stehe nur bei offensichtlicher Unrichtigkeit ein inhaltliches Prüfungsrecht im Hinblick auf eingereichte Gesellschafterlisten zu (BGH v. 18.3.2025 - II ZB 11/24). Die vom AG zitierte Entscheidung des KG Berlin sei nicht einschlägig, weil in dieser Entscheidung über eine Eintragung im Handelsregister entschieden worden sei.

Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem OLG zur Entscheidung vor. Die in der Beschwerdebegründung zitierte Entscheidung des BGH betreffe eine Einreichung gem. § 40 Abs. 2 GmbHG, hier sei eine Einreichung gem. § 40 Abs. 1 GmbHG erfolgt. Das OLG hob die Zwischenverfügung des AG vom 22.10.2025 auf und wies das AG an, über die Aufnahme der Gesellschafterliste unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu entscheiden.

Die Gründe:
Das AG war nicht befugt, der Beschwerdeführerin mit der angegriffenen Zwischenverfügung aufzugeben, die Schreiben vom 18.8.2025 und vom 2.9.2025 einzureichen, bevor es die Gesellschafterliste vom 18.9.2025 aufnimmt. Die Gesellschafterliste ist nicht aus den vom AG aufgeworfenen Gründen offensichtlich unrichtig.

Anders als in der vom Registergericht zitierten Entscheidung des KG, die eine Eintragung einer Geschäftsführerbestellung zum Gegenstand hatte, geht es vorliegend nicht um eine Eintragung im Register, sondern lediglich um die Einreichung der Gesellschafterliste gem. § 40 Abs. 1 GmbHG. Insoweit fungiert das Registergericht im Ausgangspunkt nicht als prüfende Stelle, sondern als "Verwahrstelle", welche die Gesellschafterliste in den Registerordner aufnimmt (vgl. Seibt in Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 2024, § 40 Rn. 107). Das Registergericht nimmt die Gesellschafterliste vom Grundsatz her lediglich entgegen und verwahrt diese (vgl. auch BGH v. 18.3.2025 - II ZB 11/24); die Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit der Gesellschafterliste unterliegt in erster Linie der haftungsbewehrten (!) Verantwortung des Einreichenden (Seibt, ZIP 2025, 2222).

In Literatur und Rechtsprechung besteht dabei mit Blick auf § 40 Abs. 1, 2 GmbHG weitgehend Einigkeit, dass dem Registergericht bei Einreichung der Gesellschafterliste ein formelles Prüfungsrecht zusteht, das Gericht jedoch im Grundsatz keine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Liste vornehmen kann. Nur in Ausnahmefällen, wenn die Unrichtigkeit für das Registergericht (ohne weitere Ermittlungen) offensichtlich ist (Evidenzfälle), wird dem Registergericht zugebilligt, dass es die Aufnahme einer formell ordnungsgemäß eingereichten Liste ablehnt. Wegen der besonderen Funktion der Gesellschafterliste ist die Schnelligkeit der Aufnahme der Liste in das Handelsregister von besonderer Bedeutung. Die Funktion der Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger gem. § 16 GmbHG gebietet die zügige Aufnahme einer veränderten Gesellschafterliste in den Registerordner, weil die Eintragung in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste zwar nicht die materielle Rechtsstellung des Gesellschafters berührt, jedoch nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Voraussetzung für die Legitimation als solcher gegenüber der Gesellschaft ist. Eine solche offensichtliche - ohne weitere Ermittlungen erkennbare - Unrichtigkeit liegt hier gerade nicht vor. Vielmehr will das AG durch die Einreichung der begehrten Unterlagen die inhaltliche Richtigkeit erst überprüfen.

Soweit das AG in der Nichtabhilfeentscheidung ergänzend darauf abstellt, dass vorliegend - anders als in dem der zitierten BGH-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt - keine Liste gem. § 40 Abs. 2 GmbHG eingereicht wurde, bei der der Notar die Richtigkeit bescheinigt, trifft dies zwar in tatsächlicher Hinsicht zu. In rechtlicher Hinsicht wird in der Literatur mit Blick auf die Prüfungskompetenz des Registergerichts jedoch nicht wesentlich zwischen der Einreichung gem. § 40 Abs. 1 GmbHG und der Einreichung nach § 40 Abs. 2 GmbHG unterschieden.

Vor diesem Hintergrund mag bei Einreichung durch den Gesellschafter - ggf. wie hier über den Notar - gem. § 40 Abs. 1 GmbHG ein leicht erweiterter inhaltlicher Prüfungsumfang in Betracht kommen (vgl. etwa Seibt, ZIP 2025, 2222, 2223). Während in den Fällen des § 40 Abs. 2 GmbHG eine ohne weitere Ermittlungen feststellbare, sichere Kenntnis von der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste erforderlich ist, die in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht keinem Zweifel unterliegen darf, ist es denkbar, dies für die Einreichung nach § 40 Abs. 1 GmbHG auf Fälle nahezu sicherer Kenntnis von der Unrichtigkeit auszuweiten. In jedem Fall aber muss diese (nahezu sichere) Kenntnis ohne weitere Ermittlungen feststellbar sein. Ansonsten würde durch weitere Ermittlungen des Registergerichts das bestehende Eilbedürfnis bei der Aufnahme der Gesellschafterliste unterlaufen.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Ablehnung der Aufnahme einer vom Notar eingereichten Gesellschafterliste durch Registergericht bei sicherer Kenntnis ihrer Fehlerhaftigkeit
BGH vom 18.03.2025 - II ZB 11/24
Christoph H. Seibt, ZIP 2025, 2222
ZIP0083020

Kommentierung | GmbHG
§ 40 Liste der Gesellschafter, Verordnungsermächtigung
Seibt in Scholz, GmbH-Gesetz, Kommentar. Band I 13. Aufl. 2022, Band II 13. Aufl. 2024, Band III 13. Aufl. 2025
13. Aufl./Lfg. 04.2024

Rechtsprechung
Zum Nachweis der ordnungsgemäßen Einladung der nicht erschienenen Gesellschafter zu Gesellschafterversammlung gegenüber Registergericht
KG vom 20.02.2025 - 22 W 4/25
ZIP 2025, 1806
ZIP0077490

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.12.2025 15:47
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank Schleswig-Holstein

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